Warum eine Molekülwende?

An was denken Sie beim Stichwort Energiewende als Erstes? An Strom aus Wind und Sonne, an Netzausbau und Speicher? Vielleicht an Wärmepumpen und Elektromobilität? 

Dann geht es Ihnen wie den meisten Menschen. Energiewende wird sehr oft nur als Stromwende gedacht. Fakt ist jedoch: nur 20 Prozent unseres heutigen Energiebedarfs decken wir mit Elektronen. Der Rest sind feste, flüssige und gasförmige Energieträger, also Moleküle.

Selbst wenn es uns gelingt, den Stromanteil am Gesamtenergiebedarf bis 2050 deutlich zu steigern, wird weiterhin ein erheblicher Anteil der zukünftig benötigten Endenergie in Form von Molekülen zur Verfügung stehen müssen. Allerdings müssen diese dann CO2-neutral hergestellt werden.

Warum Moleküle weiterhin gebraucht werden

Flüssige oder gasförmige Energieträger werden zukünftig auch weiterhin in Sektoren und Anwendungen zum Einsatz kommen, die schwer oder gar nicht elektrifiziert werden können. Beispiele hierfür sind:

  • der Luftverkehr
  • die Schifffahrt
  • die Bestandsflotten von PKW
  • Nutzfahrzeuge mit Verbrennungsmotor, etwa im Schwerlastverkehr oder in der Landwirtschaft
  • zur Sicherung der Energieversorgung, besonders im Krisenfall

Darüber hinaus ist die stoffliche Nutzung von Molekülen – insbesondere von Kohlenwasserstoffen – für die chemische Industrie und weitere Grundstoffindustrien unverzichtbar. Sie werden als Einsatzstoffe für die Herstellung einer Vielzahl von (Vor-)Produkten benötigt.

Daher ist klar: wir haben eine riesige Aufgabe vor uns.

Um unsere Klimaziele zu erreichen, brauchen wir jetzt neben der Stromwende auch eine Molekülwende.  

Wie kann die Molekülwende gelingen?

Grundlage ist eine umfassende Strategie, die Wasserstoff und Power to X-Technologien – also die Nutzung von erneuerbarem Strom zur Herstellung grüner flüssiger und gasförmiger Produkte – zusammen mit Kohlenstoffquellen wie Biomasse, Abfall- und Reststoffe, Recycling und CO₂ aus einzelnen Quellen oder der Atmosphäre integriert betrachtet. Marktreife Technologien für die Transformation der Mineralölwirtschaft gibt es bereits.

Zudem müssen jetzt Importstrukturen für CO2-neutrale Moleküle geschaffen werden. Denn Deutschland wird trotz Ausbau der heimischen Stromerzeugung weiterhin einen Großteil seines Energiebedarfs importieren müssen, dann allerdings aus sonnen- und windreichen Regionen mit vorteilhaften Produktionsbedingungen. Der Transport erfolgt über Pipeline und Schiff – in Form einfach speicherbarer Vorprodukte auf Wasserstoff-Basis wie Methanol oder Ammoniak.

Weitere wichtige Fragen und Antworten zur Molekülwende beantworten wir hier.

Was jetzt passieren muss

Dem Klimaschutz ist mit einem fairen Wettbewerb um die besten und effektivsten Lösungen zur Einsparung von Emissionen am meisten gedient. Deshalb sollte keine technologische Alternative von vornherein durch Verbote ausgeschlossen werden: grüne Moleküle stehen nicht in Konkurrenz zur Elektrifizierung, sondern ergänzen sie als Teil einer echten, umfassenden Energiewende.

Umso wichtiger ist es, nun endlich die Weichen auf Transformation zu stellen und beim Markthochlauf CO2-neutraler Kraft-, Brenn- und Grundstoffe den Turbo einzulegen. Dafür braucht es einen langfristig verlässlichen regulatorischen Rahmen, der ein attraktives Investitionsumfeld für grüne Technologien schafft. Dazu gehört auch der Abbau von Bürokratie und staatlichen Auflagen sowie der Aufbau neuer globaler Märkte.

Der Verband en2x und seine Mitgliedsunternehmen möchten den konstruktiven Transformationsdialog mit der Politik und anderen Akteurinnen und Akteuren der Energiewende weiterführen, damit die Molekülwende zum Erfolg wird. Dabei ist es zielführend, alle wesentlichen Verantwortlichkeiten innerhalb der Bundesregierung zukünftig in einem Ministerium zu bündeln.

Unsere Forderungen

Alle Optionen für den Klimaschutz nutzen

Regulation sollte stets das Ziel haben, Emissionen möglichst rasch und kosteneffektiv einzusparen und Investitionen in grüne Technologien anzureizen, um den Wirtschaftsstandort fit für die Zukunft zu machen. Aus diesem Grund sind Technologieverbote kontraproduktiv. Und auch Restriktionen bezüglich der Anwendungsbereiche von CO2-neutralen Molekülen führen dazu, dass sich Investitionen in die Transformation unter Umständen nicht rechnen.


Deutschland braucht eine Strategie für nachhaltige Kohlenstoffe

Auch in einem treibhausgasneutralen Deutschland werden Kohlenwasserstoffe für eine Vielzahl von Produktionsprozessen benötigt. Neben Wasserstoff muss auch Kohlenstoff zunehmend aus nachhaltigen Quellen gewonnen werden. Deshalb braucht Deutschland eine Kohlenstoffstrategie, die den Bezug, den Transport, die Verarbeitung und die Speicherung von CO₂ umfasst und zugleich die wichtige Rolle von Biofuels und Kunststoffrecycling anerkennt.


Investitionen in grüne Technologien müssen sich rechnen

Für die notwendigen privaten Milliardeninvestitionen in den Aufbau industrieller Produktionskapazitäten und die Anpassung und Ergänzung der Infrastruktur bedarf es gezielter staatlicher Unterstützung sowie geeigneter Finanzierungs– und De-RiskingInstrumente.

Verpflichtende Quoten reichen als alleiniges Instrument nicht aus. Ansonsten werden gerade Projekte die notwendigen kapitalintensiven Investitionen in fortschrittliche Technologien in der Regel nicht von den Banken finanziert, da diese über die lange Anlagenlaufzeit mit höheren marktlichen, aber auch technischen Risiken verbunden sind. 


Fossile CO2-Emissionen müssen ausreichend hoch bepreist werden

Ohne eine ausreichend hohe CO₂-Bepreisung werden erneuerbare Moleküle nicht wettbewerbsfähig. Eine an den CO₂-Emissionen orientierte Energiesteuer könnte als notwendige Ergänzung der bestehenden CO₂-Bepreisung im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ein starkes und verlässliches Preissignal zugunsten erneuerbarer Kraft und Brennstoffe erzeugen. 


Grüne Moleküle sind unverzichtbar für Versorgungssicherheit und Resilienz

Flüssige und gasförmige Energieträger lassen sich leicht transportieren und speichern. Aus diesem Grund ermöglichen sie die auch zukünftig notwendigen Importe an CO2-neutraler Energie per Schiff oder Pipeline. Und sind von zentraler Bedeutung für die strategischen nationalen Energiereserven– auch und besonders im Krisenfall. Gleichzeitig sorgen sie im Mix mit Strom aus Wind- und Solarkraft für eine hohe Resilienz der Energieversorgung.


Internationale Märkte und Energiepartnerschaften müssen jetzt aufgebaut werden

Deutschland muss faire Energiepartnerschaften mit diversen Ländern aufbauen, die Wasserstoff und insbesondere Derivate wie Methanol oder synthetisches Rohöl günstig und unter praktikablen Bedingungen herstellen können und wollen. Mit ihrer Expertise in Gewinnung, Transport und Verarbeitung von flüssigen und gasförmigen Energieträgern kann die Mineralölwirtschaft hierbei wirksam unterstützen. 


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