EU-Beschluss zum „Verbrennerverbot“
Anrechnung erneuerbarer Fuels auszuschließen ist kontraproduktiv
Update 24.06.2022 | Stellungnahme zum Beschluss des EU-Parlaments zu den CO2-Emissionsanforderungen für neue Pkw und Transporter
Um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, soll der Verbrennungsmotor im Pkw von Europas Straßen verschwinden. So hat es kürzlich das EU-Parlament beschlossen, dessen Abgeordnete am 8. Juni 2022 mehrheitlich für die überabeiteten CO2-Emissionsanforderungen für neue Pkw und Transporter als Teil des „Fit for 55“-Pakets gestimmt haben. Sie folgten damit einem Vorschlag der EU-Kommission. Nun müssen sich die Mitgliedstaaten verständigen.
Die Parlamentsentscheidung hat vor der anstehenden Abstimmung des EU-Ministerrats nicht nur in Deutschland zu kontroversen Diskussionen geführt. Im Vorfeld des Treffens der EU-Umweltminister am 28. Juni 2022 hat Italien eine Verschiebung des „Verbrennerverbots“ um fünf Jahre auf 2040 vorgeschlagen. So soll der CO2-Ausstoß von Neuwagen bis 2035 nicht um hundert Prozent, sondern nur um 90 Prozent gesenkt werden, die Null bei den Emissionen dann 2040 erreicht werden. Zudem soll es besondere Regeln für synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels geben.
Absolut richtig aus Sicht von en2x ist, dass mit Blick auf die in Europa und Deutschland verankerten Klimaziele ab 2035 nur noch CO2-neutrale Pkw und leichte Nutzfahrzeuge in den Markt kommen dürfen. Allerdings hat das EU-Parlament, und zuvor auch die Kommission, nicht nur das Ziel festgelegt, sondern auch den Weg dorthin, also wie es technologische zu erreichen ist. Wenn diese Vorgabe auch von den Mitgliedstaaten unterstützt wird, dürfen ab Mitte des nächsten Jahrzehnts nur noch Autos und Transporter auf den Markt gebracht werden, die keine Treibhausgase am Auspuff ausstoßen. Faktisch kommt das einem Verbot von Neuzulassungen für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor gleich.
In der Praxis bedeutet das Folgendes: Ein Fahrzeug mit Batterieantrieb gilt als Null-Emissionsfahrzeug – unabhängig davon, wieviel Strom es braucht, ob dieser Strom aus Kohle, Atomkraft oder aus regenerativen Energien hergestellt wurde und auch unabhängig davon, welche Emissionen beispielsweise bei der Batterieproduktion angefallen sind. Gleichzeitig dürfte beispielsweise ein Kleinwagen mit Plug-In-Hybrid-Antrieb, der in der Praxis überwiegend elektrisch fährt und nur in seltenen Fällen mit 100 Prozent alternativen Kraftstoffen betrieben würde, nicht mehr zugelassen werden.
Eine solche technologische Vorfestlegung, die vor dem Hintergrund des Ausbaus erneuerbarer Energien und der Ladeinfrastruktur in ganz Europa mit hohen Risiken verbunden ist, muss von den Mitgliedsstaaten im Trilogverfahren mit EU-Kommission und EU-Parlament unbedingt korrigiert werden.
Unabhängig davon ist die Mineralölwirtschaft davon überzeugt, dass E-Mobilität eine wesentliche Rolle spielen wird, wenn es darum geht, die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen. Um dies zu unterstützen, wird die heutige Mineralölbranche aktiv dazu beitragen, den Ausbau der Ladeinfrastruktur massiv voranzutreiben.
Erneuerbare Fuels als Klimaschutzoption anerkennen
Doch mit Batteriefahrzeugen allein lassen sich die Klimaziele im Verkehr nicht erreichen. Deswegen hält en2x den jüngsten Beschluss des EU-Parlaments zum „Verbrennerverbot“ und die damit verbundene Abkehr vom Prinzip der Technologieoffenheit für kontraproduktiv. Es sollte den Fahrzeugherstellern überlassen bleiben, wie sie im Neuwagenverkauf die Klima- bzw. Flottenziele erreichen wollen, um flexibel auf die Anforderungen und Besonderheiten der verschiedenen Absatzmärkte reagieren zu können.
Der en2x-Vorschlag: Erneuerbare Fuels im Rahmen der Flottenregulierung als Klimaschutzoption für Neuwagen anerkennen – als zusätzliche Option, nicht als Verpflichtung. Autohersteller, die sich aus durchaus nachvollziehbaren Gründen entschieden haben, nur auf die E-Mobilität zu setzen, können diese Strategie unverändert fortsetzen. Niemand ist verpflichtet, in alternative Kraftstoffe zu investieren.
Allerdings benötigen wir ohnehin erneuerbare Kraftstoffe, damit auch der Fahrzeugbestand mit Verbrennungsmotor seinen dringend benötigten Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Auch über den Straßenverkehr hinaus werden zunehmend CO2-neutrale Fuels im Luft- und Schiffsverkehr eine tragende Rolle spielen.
Europa muss auch künftig Energie importieren
In Deutschland und noch viel mehr in wirtschaftlich weniger starken Ländern Europas ist bereits jetzt absehbar, dass auch bei einem massiven Ausbau der Erzeugungskapazitäten nicht ausreichend erneuerbarer Strom für alle Anwendungen zur Verfügung stehen wird – etwa aufgrund des steigenden Bedarfs in den Sektoren Industrie oder Gebäude.
Deshalb werden wir auch künftig erneuerbare Energie importieren müssen. Zum Beispiel CO2-neutralen Wasserstoff und seine Folgeprodukte. Diese machen es möglich, erneuerbare Energie aus jedem Winkel der Welt einzuführen. Denn vielerorts ist das Potenzial zur Erzeugung von Ökostrom aus Wind und Sonne viel größer als hierzulande. In wind- und sonnenreichen Gegenden kann weltweit mittels erneuerbaren Stroms per Elektrolyse grüner Wasserstoff erzeugt werden, der dann als Energieträger – direkt oder zu synthetischen Kraftsoffen (E-Fuels) weiterverarbeitet – exportiert wird. Solche Power-to-X-Produkte lassen sich einfacher speichern und transportieren als der Strom selbst. Ohne PtX wäre der andernorts erzeugte Grünstrom für die E-Mobilität in Europa nicht nutzbar. Ebenso ließen sich globale Potenziale an Abfall- und Reststoffen zur Produktion von fortschrittlichen Biofuels zur Treibhausgasminderung nutzen.
Ausbau der Ladeinfrastruktur mitdenken
Die EU-Beschlüsse zur Flottenregulierung wirken sich massiv auf das erforderliche Tempo beim Ausbau der Ladeinfrastruktur aus. Nicht nur in Deutschland, sondern insbesondere auch in weiten Teilen Europas ist eine ausreichende flächendeckende Versorgung mit E-Ladepunkten noch sehr herausfordernd und wird sehr viel Geld benötigen. Für eine einseitige Festlegung auf den Elektroantrieb ist es deshalb aus unserer Sicht noch zu früh und sie birgt das Risiko, das Vertrauen der Verbraucher in die E-Mobilität als zuverlässige Alternative zu verspielen. Der Beschluss des EU-Parlaments gefährdet auch in dieser Hinsicht die Klimaziele im Verkehr.