Der Ausstieg aus russischem Öl hat begonnen

en2x: Zahlreiche Herausforderungen sind im Dialog mit der Politik zu lösen

30.05.2022 | Die EU-Kommission hat Anfang Mai Vorschläge für ein 6. Sanktionspaket vorgelegt, das ein Embargo auf russisches Rohöl und Ölprodukte vorsieht. Der Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x) betont, dass seine Mitgliedsunternehmen das Ziel, mittelfristig aus russischen Ölimporten auszusteigen, unterstützen. Die Mineralölgesellschaften haben umgehend nach Kriegsbeginn angekündigt, ihre Importe von russischem Rohöl und auch Fertigprodukten wie Dieselkraftstoff zu reduzieren. Das bedeutet, dass zwar laufende Verträge, häufig handelt es sich um Jahresverträge, noch erfüllt werden, am Spotmarkt jedoch keine Zukäufe mehr erfolgen.

Diese Entscheidungen zeigen an den Rohölmärkten bereits erhebliche Auswirkungen. So hat sich die Preisdifferenz zwischen der typischen russischen Rohölsorte „Urals“ und der Notierung „Brent“ für ein Rohöl aus der Nordsee von ca. 2 Dollar pro Barrel seit dem 24. Februar schlagartig und deutlich erhöht. Derzeit beträgt der Preisabschlag für russisches Rohöl rund 35 Dollar pro Barrel.

In den vergangenen Jahren bezog Deutschland rund ein Drittel seiner Rohölimporte aus Russland. Technisch vergleichsweise einfach ist der Ausstieg für die Raffinerien im Norden, Westen und Süden des Landes, die wiederum ca. ein Drittel der Importe russischen Rohöls verarbeiten. Diese Standorte erhalten seit jeher das Rohöl über die Seehäfen Wilhelmshaven, Rotterdam oder Triest, die mit den deutschen Raffinerien über Pipelines verbunden sind. Mit dieser Struktur ist eine Flexibilität bei der Versorgung mit verschiedenen Rohölen möglich. Demzufolge konnte hier der Bezug russischen Rohöls bereits signifikant reduziert werden.

Anders stellt sich die Situation für die beiden ostdeutschen Raffinerien in Leuna und Schwedt dar, die bislang mit russischem Rohöl über die Druschba-Pipeline versorgt werden. Für den Raffineriestandort Leuna in Sachsen-Anhalt zeichnet sich nach en2x-Einschätzung ein Weiterbetrieb über eine Pipeline vom Seehafen Danzig ab, allerdings nicht in bisherigem Umfang. Statt des maximalen Bedarfs von 12 Millionen Tonnen pro Jahr ist bislang über Danzig eine Menge von 9 Millionen Tonnen eingeplant. Das würde einen Betrieb der Raffinerie in Minimalkapazität von 75 Prozent ermöglichen. Ein Betrieb mit noch geringer Auslastung ist aus technischen Gründen nicht möglich.

Die Raffinerie Schwedt in Brandenburg kann zum Teil über eine Pipeline vom Seehafen Rostock mit Rohöl versorgt werden. Auch in der Vergangenheit wurde diese Pipeline bereits genutzt, etwa bei Problemen in der Druschba-Pipeline. Allerdings liegt die Kapazität der Versorgung über Rostock an der Untergrenze von rund 55 Prozent, welche die Raffinerie für einen Minimalbetrieb benötigt.

Neben diesen technischen Herausforderungen ist zu berücksichtigen, dass ein wirtschaftlicher Betrieb der Anlagen so kaum möglich ist. Eine weitere Herausforderung ist, dass beide Raffinerien bisher auf die Verarbeitung des russischen Rohöls ausgelegt sind. Für eine alternative Versorgung ist es voraussichtlich erforderlich, dass passende Rohölmischungen vorab hergestellt und angeliefert werden, da an beiden Standorten keine Möglichkeiten zum Mischen von Rohölen im großen Maßstab vorhanden sind.

Aus Sicht von en2x ist sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung Gespräche mit der polnischen Regierung aufgenommen hat, um gemeinsam mit Vertretern der betroffenen Unternehmen auszuloten, wie die Versorgungssituation in Ostdeutschland und Polen insgesamt optimiert werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch in erheblichem Umfang Produkte wie z. B. Dieselkraftstoff aus den beiden Raffinerien nach Polen und auch nach Tschechien geliefert werden. So wie über ein Embargo nur auf europäischer Ebene entschieden werden kann, sollte auch beim Aufrechterhalten der Versorgungssicherheit europäisch gedacht werden.

In Summe würden dennoch infolge der Umstellung der Raffinerien auf Teillastbetrieb in den Regionen Mineralölprodukte fehlen, die durch Transporte innerhalb Deutschlands und durch zusätzliche Importe aus dem Ausland ersetzt werden müssten. Zudem besteht die Herausforderung, rund 4 Millionen Tonnen Diesel-Importe pro Jahr aus Russland zu ersetzen. Daran arbeitet die Mineralölwirtschaft bereits. Ein Großteil der zusätzlichen Produkttransporte innerhalb Deutschlands müsste voraussichtlich über Kesselwagenzüge erfolgen, was eine höhere Priorisierung von Mineralöltransporten auf der Schiene erfordert, um Versorgungsengpässe zu vermeiden.

Das Ziel, bis Jahresende aus russischen Ölimporten vollständig auszusteigen, bleibt eine große Herausforderung. Zusammen mit den Mineralölgesellschaften und den relevanten Ministerien arbeiten wir weiterhin intensiv an Lösungen. Dazu bedarf es auch teilweise der Anpassung gesetzlicher Regelungen und technischer Vorschriften.

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